Brand upon the Brain

Ein Forumsfilm mit einer Galaveranstaltung in der Deutschen Oper? Möglich macht das der kanadische Experimentalfilmer Guy Maddin, den wir erst vor kurzem mit dem schon drei Jahre alten Film The Saddest Music in the World entdeckt haben.

Mit Brand upon the Brain hat sich Guy Maddin einen Traum erfüllt, einen Stummfilm zu machen, der wirklich stumm ist, und von einem Orchester, einer Erzählerin (Isabella Rosselini) und einigen Geräuschemachern begleitet wird (das sind die in den weissen Labormänteln auf dem Bild links). Ein grossartiges Event in der Deutschen Oper, mit dem Volkswagen-Orchester, gut wenn der Sponsor so etwas hat.

Den Inhalt des Films kann man zum Glück gar nicht so leicht verraten. Er soll autobiografisch sein, und die Kindheit eines gewissen Guy Maddin im Waisenhaus in einem Leuchturm auf einer einsamen Insel zeigen, das von einer despotischen Mutter beherrscht wird, und in dem der Vater seltsame Experimente unternimmt. Das ist hochgradig absurd, und Andere haben kindliche Urängste, unterdrückte Triebe und Anderes darin gesehen (Vorsicht, ein taz-Kommentar, der wie leider so oft die Geschichte verrät). Guy Maddin verspottet jedoch Freud und seine Jünger, und so kann man sich an einem irrwitzigen Spiel mit überblendeten Schwarzweiss-Montagen aus viel Meer, Gebüsch, schrägen Personen, einem Turm und einer Portion Frankenstein erfreuen. Man kann sich ruhig Zeit nehmen, auch mal auf die Geräuschemacher schauen, denn im Film passiert alles mehrfach, und wenn das so ist, dann kann auch alles noch einmal passieren, und das ist wichtig für die Geschichte…

Eine Innen- und Aussenansicht des Filmes wird durch die Bühne mit den Soundhandwerkern und der Erzählerin ermöglicht. Ein unglaublicher Effekt, wie leicht man die im Saal erzeugten Geräusche als aus dem Film kommend akzeptiert, solange man nur auf das Bild sieht. Welch ein Vergnügen, gleichzeitig auch die Handwerker, ihre Wind- und Knarzmaschine und das Wasserbecken zu sehen. Da es vermutlich nicht viele dieser Live-Aufführungen geben wird, seien ein paar Details verraten: knirschende Knochen erhalten den Klang von brechenden Selleriestangen, das Geräusch des sich drehenden Leuchtfeuers erzeugen Flaschen in einem Eimer. Zusammengehalten wird alles von der Musik von Jason Staczek, die er in monatelanger Arbeit während der Dreharbeiten komponiert hat.

Den Film als Rückgriff auf ‚expressionistische Horror-Ästhetik‘ zusehen, wird ihm meines Erachtens nicht gerecht. Alle Teile erscheinen von innen heraus neu entwickelt, entstanden ist ein Meisterwerk.

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