Kurz davor ist es passiert,

ein Film über verschiedene Formen des Frauenhandels. Das Besondere: die (durch Interviews destillierten) fünf "typischen" Frauengeschichten werden nicht von den Frauen selbst erzählt, sondern in der Ich-Form von Nicht-Schauspielern / Personen rezitiert, die die Frau hätten sehen können. Dabei werden sie in ihrem täglichen Umfeld gefilmt (Grenze, Dorf, Puff, Konsulat, Taxi). Das ergibt eine sehr interessante Spannung und hat mehrere Effekte: Man kann vom individuellen Schicksal abstrahieren, man lernt (kognitiv) etwas über Frauenhandel, man realisiert (emotional), dass unser aller Alltag etwas mit dem Thema Frauenhandel zu tun hat, und es laufen tatsächlich, wie die Regisseurin beabsichtigte, immer zwei Filme ab: der, den man auf der Leinwand sieht, (das Alltägliche) und der, den man im Kopf sieht (das Unglück der Frauen, das zeitgleich für uns meist versteckt dahinter abläuft).  Ein ganz einfacher, aber ziemlich genialer Kunstgriff, der den Film davor bewahrt, didaktisch oder betroffenheitsselig zu werden. (Visuell übrigens einer meiner schönsten Filme bisher in diesem Jahr!). D.h. auch, die geneigte Kinogängerin braucht ihr ästhetisches Empfinden nicht zuhause zu lassen, wenn es um soziale Themen geht

Damit lässt "Kurz davor…" z.B. "Stone Time Touch" ziemlich alt aussehen, weil der sich ganz real bemüht hat, mehrere Ebenen gleichzeitig auf der Leinwand zu zeigen, mit etwas anstrengendem Ergebnis.

In irgendeiner Zeitungskritik wurde diese Art der Entfremdung übrigens als "Mode" bezeichnet. Ich habe es das erste Mal gesehen, war beeindruckt und finde: falls das stimmt mit der Mode, dann ist es eine tolle. Mehr Filme auf dieser Modewelle!

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