Still Life

Still Life () von Jia Zhangke hat letztes Jahr in Venedig einen Goldenen Löwen bekommen. Es sind eigentlich zwei Geschichten, die beiden Hauptfiguren begegnen sich dabei nie: Beide sind nach Fengjie gekommen, er um seine Frau zu suchen, die ihn – wie man später erfährt – bereits vor 16 Jahren verlassen hat, sie sucht ihren Mann, warum erfährt man auch erst später.

Fengjie liegt am Oberlauf des Changjiang und stellt sich, während sich hinter dem Dreischluchten-Staudamm das Wasser staut, auf steigendes Wasser ein. Es werden Hochwassermarkierungen an die Gebäude gepinselt, die anzeigen, wie hoch das Wasser steigen wird, die Altstadt wird abgerissen (vielleicht, damit die Schiffe später nicht an den Ruinen hängenbleiben?), er findet einen Job beim Häuserabreißen. Dazu braucht es in Fengjie nicht mehr als einen Vorschlaghammer.

Auch bei ihrer Suche nach ihrem Mann werden die Auswirkungen des Staudamms deutlich: Archäologen buddeln in aller Eile und nicht besonders sorgfältig noch schnell ein paar Gräber aus der Han-Dynastie aus, und einer der Lokalbonzen gibt mit der Illuminierung einer neuen Brücke an.

(Vorsicht, Spoiler) Freundlich ist diese Gesellschaft im Umbruch nicht. Bandenkämpfe, zerrüttete Ehen, stillgelegte Fabriken, um Entschädigung kämpfende Arbeiter, die Arbeitsbedingungen auf den Flussschiffen – alles wirkt ziemlich deprimierend.

Dabei sind einige Bilder sehr stark: die Bauruine – ein futuristisches, aber schwer am feuchtheißen Klima der Gegend leidendes, niemals fertig gestelltes Betongerippe ist so seltsam, da wäre es gar nicht notwendig gewesen, es in einer Einstellung als startende Weltraumrakete in die Höhe steigen zu lassen. Oder die Unterkunft der Abrissarbeiter: als das Haus selbst dem Abriss zum Opfer fällt, ziehen sie mitsamt ihrem Vermieter in die Zwischenräume einer Brücke.

Am deprimierendsten fand ich die Geschichte der Ehe des Mannes: er kommt aus einer Bergbaugegend, in der die Frauen rar sind – seine hat er damals für ein paar 1000 Yuan gekauft. Später, nach der Geburt einer Tochter ist sie zur Polizei gegangen und dann in ihre Heimat zurückgekehrt. Als er sie auf einem Flussschiff gefunden hat – und dem Flussschiffer verspricht, sie quasi freizukaufen – sprechen Sie sich zum ersten Mal wieder miteinander. Er erinnert sie daran, dass er sie doch gut behandelt habe, auch seine Mutter habe nach der Geburt so viel für sie getan, warum sie denn weggegangen sei. Darauf sie: sie war jung und wusste noch nichts vom Leben. Nein, China ist derzeit kein freundliches Land.

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