Boxen ist doof!

Das finde nicht nur ich, das finden auch die jugendlichen Gewalttäter, die im Münchener Projekt "Work and Box" die letzte Chance bekommen, eine Haftstrafe zu vermeiden. Sie müssen dafür ein Jahr lang in dem Projekt arbeiten (in einer Art Sägewerk) und u.a. eben Boxen lernen. Die Erfolgsquote des Projekts (= Schulabschluss und Lehrstelle für den Deliquenten, Ruhe und Sicherheit für die Gesellschaft) liegt bei 80%. Friedensschlag – das Jahr der Entscheidung zeigt eine Handvoll Jungs während dieses Jahres.

Ich finde nicht nur Boxen total ätzend, sondern auch junge gewaltbereite Männer, das ist der Grund, warum ich mir diesen Film ausgesucht habe – immerhin ist ein Filmfestival ja dafür da, einem Kratzer ins Weltbild zu machen. Die Jungmänner im Film sind wirklich genauso kleine Arschlöcher, wie ich es vorausgesehen habe. Trotzdem war der Film unheimlich spannend und sehr intensiv. Welch unglaublicher Menschenfreund man sein muss, um diese Arbeit zu machen! Etwas beschämt erkennt man, dass man doch schon längst die Geduld verloren hat, die die Projektleiter anscheinend ohne Ende haben. Andererseits erkennt man im Lauf des Films auch wieder die vielen Frustrationen und Zumutungen der Welt, die man selbst schon ganz selbstverständlich akzeptiert hat: 6 Tage die Woche 10 Stunden in einem Getränkemarkt zuzubringen macht nicht nur dem Jungen Angst, sondern doch eigentlich jedem, wenn man ehrlich ist. Für 1 Euro die Stunde malochen ist – objektiv betrachtet – Scheiße. Und fremde Leute anzurufen und sich für einen Arbeitsplatz anzudienen ist einfach schwierig und erfordert Überwindung – auch für Leute mit Abitur.

Am Schluss finde ich die Jungs immer noch ätzend, aber ich kann in ein, zwei Geschichten durchaus auch Tragik und Triumpf entdecken – und sehen, wie ein Hauptschulabschluss den Gesichtsausdruck und die Körperhaltung eines Menschen verändern kann. Gabs einen Kratzer in meinem Weltbild? Das wird der Praxistest vor meiner Haustür zeigen. Ob es noch einen spannenderen Film für mich in diesem Festival gibt? Das wird man sehen.

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