Indignados – oder wie man aus einem Fanal einen Film macht

Hier kommt nun endlich die schon angedeutete Besprechung unseres zweites Films: 

Den Ausgangspunkt dafür bildete eine 2010 erschienene Streitschrift wider das Untätigsein, Wegschauen, Kleinreden des Umgangs mit Illegalen und Armen – ein Aufruf zu Pazifismus, Pluralismus, Sozialität, Zivilen Ungehorsam – diese unmissverständliche Anklage der Krake Finanzkapital Empört Euch! von Stephane Hessel – dem 95jährigen Menschenrechts-Diplomaten und Verbindungsmann der Réstistance, Überlebenden von Buchenwald, Todesmarsch und Fleckfieberversuchen.

Herausgekommen ist ein Film, der die aktuellen sozialen Bewegungen thematisiert, ohne pädagogisch zu werden – eher im Gegenteil meiner Meinung nach – ein in der taz kritisierter Aspekt des Filmes ist für gerade seine Stärke: an vielen Stellen wird das schöpferische Element der jetzigen sozialen Bewegungen deutlich und mir hat auch gefallen wie. Die Szene im Innenhof eines aufgelassenen Gebäudes, voll von Graffitis, die es bunt und exotisch machen, in der eine Flamenco-Tänzerin zusammen mit einer Sängerin und einem Geiger 

sowie vielen Flugblättern Leben in die Bude bringt, hat mir imponiert und sie ist eine gleichberechtigte Entsprechung zu den seelenlosen und unbewohnten Bauherren-Modellen, die man zu sehen bekommt, wenn die Protagonistin sich eingesperrt in einer der Tiefgaragen dieser menschenleeren Landschaft wiederfinden muss.

"Schöpfung ist Widerstand. Widerstand ist Schöpfung" schreibt Stefane Hessel – und das wird für mich in dem Film auch deutlich. Etliche bühnenhafte Situationen schaffen einen Rahmen für "gespielte" oder spielerische Szenen.

Eine wunderbare Szene ist die Metapher auf die "Heerscharen an Immigranten" die immer beschworen werden: in einer Mittelmeer-Stadt, vermutlich an der südlichen Seite, kullern nach und nach tausende von Orangen enge Strassen einer (Hafen-)stadt hinunter, durch Pfützen, Wasserstrahle, Regen und über Strassengräben und Hauseingänge, und landen nach ihrem langen Weg am Hafen, an dem ein Ruderboot auf sie wartet. Viele landen daneben, manche darinnen, und sehen wunderschön orange und unterschiedlich aus in dem alten Holz des Bootes, das vom herrlich blauen Wasser bewegt wird.

Die Metaphern sind überhaupt eine Stärke des Films, denn sie machen das Unaushaltbare sichtbar und das Unaussprechliche verständlich – wie grauenvoll es sein muss als Familienmensch den Weg ins Alleinsein anzutreten und was das bedeutet, wenn Familie eigentlich das Einzige ist, was zählt und man ihr nicht geben kann was sie bräuchte.

 Also meine Empfehlung: nicht verpassen, weil dann kann man vielleicht noch ein wenig von der Anwesenheit des Regisseurs profitieren. 

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Kommentare

Eine Antwort zu „Indignados – oder wie man aus einem Fanal einen Film macht“

  1. Uta

    Dass die FAZ Stephane Hessels Streitschrift als Pamphlet bezeichnet, empfinde ich als skandalös auch wenn der Duden als eine mögliche Interpretation von Pamphlet den Begriff Streitschrift zulässt…

    und da ist mir glatt der Kommentar ans falsche Subjekt geraten – das hatte die arme Minze Tummescheit doch garnicht abbekommen sollen…

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