Kebun Binatang – Postcards from the Zoo

Es ist wieder ein Jahr der Echos – zu manchen Themen gibt es zwei Filme. Der zweite Zoofilm kommt aus Indonesien und heißt Kebun Binatang – Postcards from the Zoo. Es ist ein merkwürdiger Film, denn es kommt keine Psychologie drin vor. Ein kleines Mädchen wird im Zoo zurück gelassen, in den ersten Minuten ruft es noch nach seinem Papa, dann wandert es stumm durch den nächtlichen Zoo. Jahre später sitzt Lana immer noch als junge Frau bei den Leuten, die im Zoo wohnen. Inzwischen kennt sie sich mit den Tieren aus, erklärt Rentnern etwas über Giraffen, hilft als Klofrau und bei den bunten Fahrgeschäften, mit denen Kinder im Zoo von Jakarta bespaßt werden. Sie darf auch mit Tretbooten oder, nachdem der Zoo geschlossen hat, den Kuhbus fahren – ein Bus mit Kuhgesicht, Ohren, Hörnern und Schwanz, mit dem tagsüber den Zoobesuchern die Wege verkürzt werden.

Der Zoo ist überhaupt halb Tierpark, halb Jahrmarkt, ständig dudelt eine elektronische Musik, für Kinder werden Seifenblasen, Luftballons und Spielzeuge zum Verkauf angeboten, die Fahrgeschäfte scheinen fast so wichtig wie die Tiere, und es gibt auch fast so viele große Betontierplastiken wie echte Tiere – aber bei uns im Zoo stehen ja auch überall diese Bronzetiere herum. Dennoch gibt es sehr schöne Aufnahmen von den Tieren, Elefanten im Regen, lustige Propellerohren der Flusspferde und immer wieder die schöne Giraffe.

Die Pfleger gehen sehr liebevoll mit den Tieren um – in westlichen Zoobesucheraugen vielleicht nicht sehr artgerecht, denn alle Tiere werden gestreichelt: die großen Raubkatzen, das Flusspferd, Bären, alle scheinen das gern zu haben. Nur mit der Giraffe ist es schwer, die lässt sich zwar füttern – sooo schön: Kinder dürfen der Giraffe lange Halme hinhalten, die sie dann mit der langen Zunge einwickelt. Das möchte ich auch! Die Giraffe ist sowieso der Star des Films, Lana neckt sie, indem sie Futter immer abwechselnd links und rechts von einem Baum zeigt, was schon ein bisschen Mühe verursacht, wenn der Hals so lang ist. Aber so nah, dass sie sie am Bauch streicheln könnte, lässt die Giraffe sie nicht heran. Lana erzählt aus dem Off über die verschiedenen Kategorien von Menschen und Tieren im Zoo, ein Pfleger nimmt Tiergeräusche und ihre Erzählungen auf und macht daraus wunderbare Zoomusiksamples – davon würde ich gerne mehr hören. 

Irgendwann kommt ein Polizist, der sagt, es tue ihm Leid, aber Leute, die nicht offiziell im Zoo arbeiten, dürfen auch nicht mehr dort wohnen. Da passt es ganz gut, dass ein junger Zauberer in albernem Cowboykostüm aufgetaucht ist, der Lana irgendwie fasziniert. Sie folgt ihm, obwohl er nicht besonders freundlich ist. Sie wohnen in einer Häuserruine und treten auf Jahrmärkten und in einem Spa auf. Dass das kein heiterer Ort ist, fällt spätestens dann auf, wenn die nackte offensichtlich verprügelte Frau neben dem Chef sitzt und der Zauberer sie aufheitern soll. 

Als der Zauberer verschwindet, arbeitet auch Lana im Spa (schon wieder ein Echo: Sexarbeit im Film), sie macht das gut, aber ob es ihr gefällt, ist nicht festzustellen, denn Psychologie kommt eben nicht vor. Was wir erfahren ist, dass sie immer noch vom Zoo träumt… 

Der Film ist ein bisschen verzaubert – wobei der Zauberer noch am wenigsten zauberhaft ist – und merkwürdig im besten Sinn. Es macht überhaupt nichts, dass die Motivation der Figuren kaum deutlich wird oder vielleicht gar nicht Thema ist. Es sind die Bilder, die nachvollziehbar sind – egal, was Lana mit ihrem Leben noch anfangen wird, das, was ihr der Zoo war, bleibt. 

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Kommentare

Eine Antwort zu „Kebun Binatang – Postcards from the Zoo“

  1. Jo

    tja, auch da ist mir micha zuvor gekommen mit dem bericht über dieses sehr eigene filmische erlebnis..
    das fahrgefährt, das giraffen-necken, das bekuscheln der raubtiere, all das wunderbare bilder, die in der tat ohne psychischen background einfach so sind, wie sie sind. danke micha, dies trifft es wohl am besten, und macht raum auf für die wirkung der bilder. ich mochte den film sehr, waren die raubtierjungen nicht unglaublich? wie schön, daß der zusammenhängende faden dieser surrealen, atmosphärisch sattgrün-tropischen szenen ausgerechnet der versuch lanas ist, die giraffe, die sich nachts – so erzählt man sich – im übrigen außerhalb ihres geheges herumtreibt, am bauch zu streicheln?
    schön auch szenen wie die zigarettenschachteln, die „von draußen“ über den zirkusgraben geworfen werden. hin nur die ware, zurück die ware mit geld, dann wieder hin mit wechselgeld.
    ich mochte auch den plastik-kunden als übungsobjekt im spa, der bei der wendung von bauch,- in rückenlage in der mitte auseinanderfällt…
    also noch ein prima tierfilm dieses jahr, allerdings ohne schafe!

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