Als ich jünger war, gab es mal so eine Mode, dass in Spielfilmen (besonders französischer oder deutscher Herkunft) die Schauspieler dazu angehalten wurden, ihren Text mit möglichst unbeteiligter Miene aufzusagen, als gehörten sie nicht dazu. Der Sinn sollte, glaube ich, sein, dass der Zuschauer bloß nicht zu sehr in den Film eintaucht und sich womöglich vergisst. Ich fand das extrem manieriert und habe diese Filme in den letzten Jahren nicht vermisst. Eigentlich hatte ich sie schon ganz vergessen.
Bis heute abend, da kam Tabu von Miguel Gomez, und alles war wieder da. Hingelockt hat mich der Verweis auf den Stummfilm und ein schönes schwarz-weiß-Bild von einem Krokodil. Aber es gab vorwiegend Figuren, die zu zusammenhanglosen Dialogen geradeaus guckten und Sätze sagten wie "Die Invasionen des Zweiten Weltkriegs haben dem Katholizismus oder eher dem Klerikalismus Auftrieb gegeben." Das Pulbikum um mich herum gackert vor lauter Hilflosigkeit über jede Andeutung noch des sparigsten Kindergartenwitzes als sei da vorne Luis de Funes am Werk. "Nostalgisch, leidenschaftlich, ironisch." kommentiert das das Programmheft. Einfallslos, künstlich, prätentiös sage ich dazu und gehe nach einer langen Stunde raus.
(Der zweite Teil des Films soll laut Programmheft in Farbe und ganz anders sein. Mag sein, Chance verpasst.)
Kommentare
Eine Antwort zu „Tabu“
Hmm, Farben kommen keine mehr. Anders ist der zweite Teil schon, auch etwas schneller und ereignisreicher als der erste. Der erste Teil heißt ja „Paradiso perdido“, und geht um die alte Frau und ihre hilfsbereite Nachbarin Pilar, die, als die alte Frau schon im Krankenhaus liegt, versucht, einen alten Bekannten ausfindig zu machen.
Dieser alte Bekannte erzählt dann den zweiten Teil „Paradiso“, der in Afrika spielt. Künstlich ist das Ganze immer noch, zum Lachen gibt es nicht wirklich etwas – vielleicht können die Band, das kleine Krokodil und der Verweis auf einen erfolglosen Film als lakonische Randbemerkungen durchgehen. Mir war das auf eine Art auch zu spröde und zu kunstbeflissen, andererseits habe ich es akzeptiert, dass eine Geschichte aus dem kolonialen Afrika, das praktisch ohne schwarze Afrikaner auskommt, sein Publikum eben auf Distanz halten und eine Identifikation mit den Hauptfiguren vermeiden wollte. Mir ist es dabei schon geglückt, mich im zweiten Teil drauf einzulassen – aber Fragen an die Handlung sind auch da eher nicht ratsam. Vermutlich ist es ironisch, dass der Film einen ganz überflüssigen Mord von der Befreiungsbewegung für sich beanspruchen lässt.
Vor dem ersten Teil gab es doch den Prolog – und der hat mir gefallen, deshalb erzähle ich den jetzt einfach mal: Stummfilmtaugliche Klaviermusik begleitet eine Afrikaexpedition, die im Namen Gottes und des Königs durch die Savanne zieht. Die Voice-over-Stimme erzählt, dass der melancholische Forscher um seine verstorbene Frau trauert. An einem idyllischen Fluss stürzt er sich vor den Augen der begleitenden Schwarzen ins Wasser und lässt sich von einem Krokodil fressen. Fortan wird in der Gegend gelegentlich eine Frau in altertümlicher Kleidung zusammen mit einem melancholischen Krokodil gesichtet. Zu diesem letzten Satz sehen wir ein vom Fotografen arrangiertes Foto, auf dem eine ernst blickende Frau auf einem Stuhl sitzt, zu ihren Füßen das melancholische Krokodil. Wofür der Prolog steht, weiß ich allerdings auch nicht.