The Rocket

Ein Film aus Laos – gab’s das schon mal? Muss ich sehen. In The Rocket wird aber alles andere als ein idyllisches Land gezeigt, ganz im Gegenteil.

Auf den ersten Blick ist der Film eine Außenseitergeschichte oder ein Familienroadmovie mit einem kleinen Jungen in der Hauptrolle. Dabei wird aber eine Realität gezeigt, die für einen Kinderfilm ziemlich heftig ist: der Junge Ahlo wird von seiner Großmutter mit großem Misstrauen beobachtet und für alles, was schief geht, verantwortlich gemacht, weil er ein Zwilling ist – traditionelle Vorstellungen behaupten, ein Zwilling sei immer gesegnet und einer verflucht. Sein Bruder wurde tot geboren, die Mutter Mali hatte ihre Mutter angefleht, die Zwillingsgeburt zu verheimlichen. Ein Kinderfilm, der quasi mit einer Babyleiche beginnt, ist eigentlich eher nichts für zarte Gemüter. 

Nach dem Klick gibt’s leichte Spoiler. 

Die Geschichte geht weiter, als Ahlo etwa zehn ist. Es wird ein Staudammprojekt geplant, die Dorfbewohner werden umgesiedelt. Bei einem Unfall während des Umzugs stirbt Mali. Die versprochenen Häuser mit Strom und fließendem Wasser, sind aber nur auf dem Bauschild vor einer Brachfläche aufgemalt, die Leute müssen in Verschlägen aus Bambus und Plastikplanen hausen, und das Land ist alles andere als fruchtbar.  

Ahlo lernt Kia kennen, deren Eltern an Malaria gestorben sind, die auf ihren Onkel Purple aufpassen muss, einen schwer traumatisierten, alkoholkranken Kriegsveteranen, der immer einen lila Anzug trägt, den ihm mal Amerikaner geschenkt haben. "Aus Gründen", wie es bei Twitter immer so schön heißt, und die hier nicht weiter erzählt werden, müssen die beiden Familien gemeinsam den ungastlichen Ort verlassen. Sie ziehen zunächst ins Dorf von Onkel Purple, das aber längst verfallen ist und "nach Tod riecht", überall in der Gegend liegen Munitionsreste, die großen Bomben im Wald werden "Sleeping Tiger" genannt, alle wissen, dass sie jeden Moment aufwachen können. Die kleinen Granaten heißen "Bomby", sie sehen in Form und Größe aus wie Cherimoyas und sind mit Metallsplittern gefüllt.  

Des weiteren spielen eine Rolle: eine Fledermaushöhle, in der Geister vermutet werden, weil dort während des Krieges viele Menschen verbrannt sind, Sprengstoff aus Fledermausscheiße, ein Raktenfestival, das alljährlich abgehalten wird, um die Götter um Regen zu bitten ("Schieß die Rakete direkt den Göttern in den Arsch, damit sie ein bisschen auf uns herunterpinkeln!") und der geeignete Platz, um Malis Mangos einzupflanzen. 

Der Film ist mein bisheriger Favorit, und zwar aus dem bekannten Grund, dass ich so einen noch nie gesehen habe. Die Personen sind alle großartig und ungewöhnlich, die Handlung zwar eigentlich absehbar, aber ganz beiläufig in einen fremden und immer wieder erschreckenden Rahmen gestellt, so wünsche ich mir Berlinale.

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Kommentare

2 Antworten zu „The Rocket“

  1. uta

    … und schon wieder einer, der auch auf meiner Agenda war! Das scheint in diesem Jahr die Berlinale der verpassten gemeinsamen Filme und des entgangenen Generation-Programmes zu sein…

  2. uta

    Danke für den guten Tipp – wir haben dann nochmal intensiv nach Karten und passendem Zeitpunkt geguckt. Und dann gab es nicht nur ein intensives Filmerlebnis mit einer total angeheizten Kinderschar dank reichlich Jungen – sondern auch noch ein interessantes Q&A, bei dem klar wurde, wieviel Vor-Arbeit und Vermittlungs-Willen in diesem Film steckt!
    Wie auch Du wahrscheinlich, mussten wir an „Lalas Gun“ und „South of the Clouds“ denken, aber auch an den Seenomaden-Film „The Mirror Never Lies“. Auch dort war eine Oeko-Umwelt-Stiftung Mitfinanzierer.
    Und Beruhigung, was das halbleere Kino bei „Die ewige Nacht der zwölf Monde“ anging, gabs dann auch noch – denn in diesem Film sassen genauso viele oder wenige.
    Warum allerdings der grosse Saal des HKW bei solchen Filmen nicht voll wird, versteh ich trotzdem nicht wirklich. Und noch weniger, warum es dann vorher keine Karten gegeben hat… aber sei es drum – Danke Micha!

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