Kreuzweg

Kreuzweg war schon ein ganz schöner Hammer. Er beschreibt den Leidensweg der 14-jährigen Maria, die in einer fundamentalistischen katholischen Gemeinschaft aufwächst und sich gerade auf ihre Firmung vorbereitet.

Auf einer Ebene zeigt der Film ganz einfach, was für schreckliche Dinge passieren können, wenn jemand strenge Regeln ernst nimmt. Über Fundamentalismus im Islam wird derzeit viel gesprochen; um zu sehen, wie Fundamentalismus funktioniert, taugt christlicher Fundamentalismus besser, denn den kann man nicht so einfach auf "das Fremde" abschieben (obwohl ich mir zumindest beim Berliner Publikum nicht so sicher bin. Um mich herum wussten etliche nicht, dass ein Kreuzweg aus festgelegten Stationen besteht. Für die war das Ganze wahrscheinlich wie die ethnographische Studie eine fremden Stammes. Aber zu mir in die Grundschule gingen auch zwei Mädels, die nur Röcke und Zöpfe trugen und im Handarbeitsunterricht Kopfhörer mit christlicher Musik aufsetzten, damit sie den Pop im Hintergrund nicht hören mussten…)

Das Format des Films ist interessant: wie die Bildtafeln eines
Kreuzwegs werden auch die 14 Spielszenen in jeweils einer statischen
Einstellung dargestellt und deutlich stilisiert Die Sprache der
Protagonisten ist förmlich, so dass der Dialog immer haarscharf nicht
natürlich ist. Die Szenen sind also eigentlich "lebende Tafeln". Dass
das Ganze trotzdem emotional berührt, ist schon erstaunlich. Tat es
aber, Tränen flossen reichlich. Besonders, weil in der hartherzigen
selbstgerechten Umgebung das kleinst bisschen Menschlichkeit so rührt.

Der Fundamentalismus bekommt sein Fett weg, aber den Film macht
wirklich großartig, dass er Maria bei aller Tragik ihre Größe lässt. Wir sehen
kein verführtes kleines Mädel, sondern echte Seelenpein und Stärke –
leider ohne die notwendige Inkonsequenz, ohne die jede Lehre zum Monster
wird. Und die Niedertracht der Lehre von Schuld, Versuchung und
Opfer trifft einen hier mit voller Wucht. ("Die besten Gelegenheiten,
ein Opfer zu bringen, sind die kleinen Dinge, über die Ihr Euch im
Alltag freut" O-Ton Priester.).

Das Problem an dem Film ist die Figur der Mutter. Die verkörpert zwar
zunächst die bigotte und selbstgerechte fundamentalistische Lehre. Aber
sie ist darüber hinaus auch noch grausam und gemein, und dazu auch noch
so grottenschlecht gespielt (verkrampftes Over-Acting), dass man sich
fast fragen muss, ob das vielleicht Absicht ist. Aber welche Absicht?
Ich verstehe es nicht. Die Mutter ist so eindeutig so fies, dass man sie
als Figur nicht mehr ernst nehmen kann, nur noch als Karikatur. Wieso
denn bloß? Ist der mit-erzählte Mutter-Tochter-Konflikt vielleicht doch
nicht so peripher, wie man im ersten Moment denkt? Wie dem auch sei: Die
Mutter ist der Schwachpunkt des Films. 

Dass der kleine stumme Bruder am Ende
spricht, ist auch schwierig. Soll das heißen, dass sich das "Opfer" gelohnt hat? Oder ist es die
zusätzliche Tragik, dass sie es nicht mehr miterleben kann?

Je länger man über den Film nachdenkt, umso rätselhafter wird er…

Aber morgen darf ich dann hoffentlich auch endlich mal Spaß haben im Kino: Bei "God help the Girl", einem Musical. Mit noch mehr Teenies.

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