Fräulein Schmetterling

Fräulein Schmetterling war einer der Filme, die 1966 in der Folge des 11. Plenums des ZK der DDR verboten bzw. nicht fertiggestellt wurden. (Das so genannte „Kahlschlag“-Plenum unterband im Dezember 1965 alle zu dieser Zeit aufkeimenden Ansätze von Veränderung, die sich in der DDR abzeichneten. Es hatte gravierende Auswirkungen auf die Pop (Beat-)Musik, Literatur und eben auch Film.)

Und mir ist auch völlig klar, warum dieser Film, von dem es nur eine Rohfassung gibt, die nach 1965 vierzig Jahre lang in einem Archiv lag und 2005 zum Vorzeigen aufgepäppelt wurde, warum dieser Film also verboten wurde. Er zeigt nämlich ein 17-jähriges Mädchen, das in keinen der ihm angebotenen Jobs passen will: für den Fischladen* zu fein, für die „Lingerie“ zu derb, als Busschaffnerin zu schüchtern. Die gesamte DDR-Fürsorgemaschinerie arbeite für sie, und sie passt trotzdem nirgends hin und ist nicht dankbar. Am Schluss gäbe es eine sehr schöne und praktische Lösung für das Fräulein, das nirgends reinpasst – aber da waren die Parteileute schon indigniert und haben sich dafür dann auch nicht mehr interessiert….

Ein erhebliches Sehvergnügen bestand in den vielen Alltagsszenen aus Ostberlin 1965, die mit versteckter Kamera gedreht wurden und einen sehr beiläufigen und authentischen Eindruck von der Stadt und ihren Einwohnern vermitteln. (Heute wäre das ja rechtswidrig…schade, solche Bilder werden sie in 50 Jahren von uns in Berlin nicht haben…)  Die Bilder von den Neubauten rings um den Alex und den Brachen dazwischen, vom noch sehr kaputten Dom, den Ruinen auf dem Gendarmenmarkt usw., Der Gegensatz zwischen den dokumentarischen Alltagsbildern und den  Fantasien der verträumten Mädels ist besonders schön.  Ich bin froh, das Fragment gesehen zu haben.

* sehr realistisch dargestellt, wie ich als ehemalige Fischladenverkäuferin bestätigen kann.

 

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