Ferris macht blau

Als ich Ferris Bueller’s day off (1986) das erste Mal sah, war ich kein Teenager mehr, aber trotzdem sofort hin und weg von der Leichtigkeit, mit der Ferris sich einen Tag Auszeit vom Schule-Zukunft-College-was-wird-aus-mir-Ernst des Lebens nimmt. Zum Schießen die Schauspielereien, Tricks und Methoden, mit denen er erst den doofen Eltern eine Krankmeldung aus dem Kreuz leiert, dann den schwermütigen Freund aus dem Bett luchst, die Freundin aus der Schule befreit und dann mit den beiden im roten Ferrari einen aufregenden, lustigen Sommertag in Chicago verbringt. Während gleichzeitig der Schuldirektor sich Schritt für Schritt ruiniert bei dem verbissenen Versuch, Ferris unbedingt beim Blaumachen erwischen zu wollen.

Die einzige, die Ferris nicht hinters Licht führen kann, ist seine Schwester. Sie ist empört darüber, dass er alle verarscht und dafür auch noch von der ganzen Welt geliebt wird. Und hier, muss ich sagen, machen sich die 30 Jährchen Lebenserfahrung seit dem ersten Sehen schon bemerkbar: diese Empörung konnte ich diesmal sehr gut nachvollziehen, und habe mich auch ein bisschen über Ferris‘ Arroganz geärgert. Und da ich gelegentlich tränenreiche Geschichten über Krankheiten erzählt bekomme, war es auch nicht mehr soo lustig mit anzusehen, wie Ferris die gutgläubigen Eltern um den Finger wickelt. Das ist erschreckend: sollte ich jetzt etwa doch auf der Erwachsenenseite gelandet sein?

Aber wenn dann eine Deutschländer-Parade durch Chicago zieht und die unterschiedlichsten Menschen, incl. Blaskapelle, Dirndlträgerinnen und Ehrentribüne, alle mit Ferris „Twist and Shout“ singen, dann ist das immer noch grandios.

Beim Rausgehen hörte ich eine Besucherin sagen, hier seien ja purer Hedonismus und die neo-liberale Haltung der 80er (die Gesellschaft ist mir egal) zelebriert worden, und alle, die da nicht mitmachen, seien als „verklemmt“ dargestellt worden. Das stimmt. Einen ergaunerten Tag lang, bevor der Ernst des Lebens beginnt, macht Ferris Blau vom Karrieredruck und Erwachsenenregeln. Und: ja, womöglich könnte Ferris Leichtsinn und „no future“ Spaß „die Jugend von heute“ nicht mehr ansprechen, für die „alles politisch“ (Frau Jury-Präsidentin) ist und jeder Pausensnack eine ethische Dimension hat. Die Welt hat sich schon ganz schön verändert seither. Aber wir versammelten Mitt-Fünfziger, wir haben uns (fast) so amüsiert wie 1986, haben auf die Maske geschissen und uns hinterher in einem Anflug von Rebellion fettige Fish-and-Chips mit Knoblauch-Mayo gegönnt.

Ausgewählt von Nadine Labaki, deshalb

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