Erbsen auf halb 6

Erbsen auf halb 6 von Lars Büchel war ein seltsames Kinoerlebnis. Die Liebesgeschichte zwischen dem durch Unfall erblindeten Theaterregisseur Jacob und der von Geburt an blinden Lilly war eigentlich schön anzusehen. Ohne Abstriche großartig fand ich Fritzi Haberlandt als Lilly. Je länger der Film aber zurück liegt, umso deutlicher fallen mir all die Stellen ein, die mich gestört haben.

Jacob habe ich zwar seinen Zorn auf die Blindheit abgenommen, nicht aber den Erfolg seiner trotzigen Entschlossenheit – es fällt mir schwer, mir vorzustellen, in eiligem Laufschritt einen Bahnhof zu stürmen und es zu schaffen, tatsächlich in einen Zug einzusteigen. Aber warum sollte jemand überhaupt einen x-beliebigen Zug besteigen wollen, ohne zu wissen, wohin er fährt?

Was mich stört, ist die nicht zugegebene Märchenhaftigkeit des Films – die Reise bleibt ein poetisches Bild ohne realistische Störelemente wie Fahrkarten, Geld, Sprachbarrieren in einem fremden Land (was sollten gerade mal vier russische Sätze mit Untertiteln?). Die Barrieren, die allen Reisenden das Reisen schwer machen können, einfach unter den Tisch fallen zu lassen, nimmt dem Film viel an Glaubwürdigkeit. Kann sein, dass es darum gar nicht ging, sondern darum, dass Blinde nicht nur ungefähr alles können, was Sehende auch können und dass ihnen darüber hinaus weitere Wahrnehmungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dann stimmen zwar die Bilder, in denen dem Regen gelauscht wird, aber das Bild der Reise stimmt nicht. Vermutlich lag es daran, dass ich nach anfänglicher Faszination für das Häuschen der Mutter und ihre rote Kunst am Strand immer stärker das Gefühl hatte, dass die Geschichte nur in eigens dafür in den märkischen Sand gesetzten Kulissen spielt und gar nicht an fremden Orten.

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