Der Vollständigkeit halber (und weil´s Spaß macht) noch ein kurzer Rundumschlag über die letzten drei Tage:
Ruthie and Connie: thematisch das genaue Gegenstück zu "Alt on min Far", das fand ich auch. Bei uns fragte sogar jemand aus dem Publikum, wie sie damit fertig geworden seien, dass sie ja ihre Kinder verlassen hätten, um ihren eigenen Bedürfnissen Raum zu geben. Die Antwort fand ich eigentlich auch ziemlich gut: (Connie): "Mein Sohn ist in Israel orthodoxer, strengläubiger Jude geworden. So jemanden hätte ich mir als Sohn nicht gerade ausgesucht. Damit muss ich ja auch leben. Wir müssen beide damit zurechtkommen, dass wir uns nicht perfekt finden." Ich habe einen typischen Intellektuellen-Vorbehalt gegen diesen Film: ist halt alles sehr laut, sehr pragmatisch und sehr amerikanisch. Aber trotzdem (oder gerade deswegen) ein "Feel-good-documentary" (habe ich gerade dieses Genre erfunden?).
"The Secret" über Polen, die relativ plötzlich erfahren, dass sie jüdischer Herkunft sind: Dieser Film soll dahin, wo er hingehört, nämlich als Reportage ins Fernsehen. Da wäre er gut aufgehoben, auf der Berlinale hatte er nichts zu suchen, finde ich. (Fast) alles, was an dem Thema spannend und tiefgründig gewesen wäre (Identitätsverlust/-krise/-neudefinition) wurde konsequent ausgeklammert. Ein paar der dargestellten Personen waren interessant, der Film war es nicht.
Dann aber der Hammer, 22.30 Uhr, keine Untertitel, amerikanischer Slang und experimentelle Filmsprache: "Paradox Lake". So einen Film habe ich noch nie gesehen. Einerseits sehr klare, dokumentarische Aufnahmen von den autistischen Kindern in dem Ferienlager, andererseits wurde daraus eine richtig packende Geschichte, in der sich auf verschlungenen Wegen, im Rahmen eines Spiels des Hauptdarstellers und eines autistischen Mädchens, herausstellt, dass der Hauptdarsteller einen Hirntumor hat, der so gerade noch rechtzeitig entfernt werden kann. Sie rettet ihm also quasi das Leben. Das alles entwickelt sich sehr langsam unter einer (wer hätte es gedacht) herumgewedelten Digitalkamera und oberflächlich hektischen Bildern. Gleichzeitig geht es auch noch ziemlich mythisch zu. Dokumentarisch und mythisch in einem, hektisch und langsam gleichzeitig, ja tatsächlich.