Eine Qual: Mutzenbacher

Von Ruth Beckermann hat man ja schon etliche erinnerungswürdige Filme gesehen, und deshalb entschied ich mich für Mutzenbacher, für den die Regisseurin einen offenen Casting-Aufruf publiziert hat, der sich an „Männer zwischen 16 und 99 Jahren“ richtete, Vorerfahrung nicht erforderlich. Etwa 150 haben sich gemeldet, sagt sie im Interview, und ca. 75 davon wurden gefilmt. Sie wurden in Gruppen von 1-4 Personen in den Raum mit der Kamera geschickt, sollten sich auf ein Sofa aus der Entstehungszeit des Romans setzen, und eine Passage aus dem Roman vorlesen. Dann schloss sich ein kurzes Gespräch dazu an mit der Regisseurin, die hinter der Kamera saß, also nicht zu sehen war. Es handelt sich bei dem Buch ja um einen Porno, deshalb ging es dabei um Sexualität. Auch das für mich interessant, da ich ja u.a. einen Hintergrund in „Porn Studies“ habe.

Es wurde sehr viel und laut gelacht in der Akademie der Künste (nicht aber im Film), und auch die Regisseurin erwähnt im Interview, wie „playful“ es bei der Arbeit zugegangen sei.

Ich verstehe beides überhaupt nicht. Ich fand den Film nur quälend, von der erste Minute an, in der der erste Mann reinkommt und nicht merkt, dass die Kamera schon läuft. Wenn die sexuellen Phantasien durch das Vorlesen aus dem Roman in die reale Welt geholt werden, sind sie einfach nur eklig. Es ist ja ein Kinderporno. Das Ausmaß an Fremdschämen für die Protagonisten ging bis an die Schmerzgrenze. Ich fand, dass sie vorgeführt wurden. Und ich würde auch gern wissen, wie viele nicht zugestimmt haben, veröffentlicht zu werden.

Das ganze Gendergedöns in dem Film verstehe ich natürlich schon, die Kamera, die den weiblichen Blick auf die Männer richtet, und damit den pornographischen Blick umdreht (jedoch definitiv ohne Begehren), die Regisseurin im Off, die invertierte Machtkonstellation usw. Es gibt dazwischen noch so eine Chorszene, in der alle Männer gemeinsam obszöne Wörter in einem Chor aufsagen, der offensichtlich von hinter der Kamera „dirigiert“ wird. Aus meiner Sicht klappt das alles viel zu gut, ich will solche Spielchen nicht sehen, auch nicht umgedreht. Vielleicht ist das der Bonus des Films, dass man erkennt, wie subtil gewaltvoll Filmemachen sein kann, auch wenn alle ihre Kleider anhaben und nur was vorlesen.

Zwischendurch habe ich mich gefragt, ob das einfach ein neues Milgram-Experiment ist, bei dem die Regisseurin testet, wie weit Leute bei einer Sache mitgehen, wenn sie denken, es diene der Kunst. Oder (auch nicht gut), sie dachten, das sei nur das Casting zu einem Film, der dann noch kommt? Was genau wurde ihnen vorher gesagt?

Kunst, die quält, kann nicht ganz schlecht sein, aber das waren wirklich sehr, sehr lange 100 Minuten, in denen ich an mir, der Regisseurin und dem versammelten Publikum sehr gezweifelt habe. Offensichtlich bin ich für den Humor des Films völlig unempfänglich, der sogar in der Laudatio zum Preis der Encounter-Sektion erwähnt wird. Ich versteh’s nicht.

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