Identität suchen – oder lieber doch nicht?

Die beiden Filme aus Deutschland, die ich dieses Jahr gesehen habe, treffen sich bei einem Thema und gehen dabei ganz weit auseinander:

Born in Evin und Searching Eva

Die eine Protagonistin sucht verzweifelt nach ihrer Herkunft und die andere will möglichst vermeiden, eine zu haben.
In „Born in Evin“ versucht die Regiseurin Maryam Zadee, der Geschichte ihrer Herkunft auf die Spur zu kommen: Sie ist mit ihrer Mutter Ende der 1980er Jahre aus dem Iran nach Deutschland immigriert. Als Teenager erfährt sie zufällig von ihrer Tante, dass sie in einem Gefängnis im Iran geboren wurde. (So wie alle Familiengeheimnisse ans Licht kommen: „Ich dachte, Du wüsstest das“…) Sie versucht in dem Film herauszufinden, wie das mit dem Gefängnis, ihrer Geburt und den Verhältnissen dort ganz genau war. Und weil ihre Mutter darüber nicht mit ihr sprechen kann/will (promovierte Psychologin hin oder her) recherchiert sie dafür bei anderen Exil-Iranerinnen und ihren in politischer Gefangenschaft geborenen Kindern.

Im Kern geht es darum, wie sich Traumata von einer Generation auf die andere übertragen, ohne dass die Beteiligten es merken, und wie man diesen Schwarzen Löchern beikommt: indem man zunächst einmal das Schweigen bricht und nachfragt. Ein Super-Bild im Film ist dies: eine Falschirmspringerin, die irgendwo in der Pampa landet und völlig orientierungslos ist, und nicht weiß, wo sie herkommt, wosie ist und wo sie hin soll. Mit dem Film kann sie das zumindest so weit klären, dass sie am Ende sie den Fallschirm abstreifen und loslaufen kann.

Dem gegenüber steht „Searching Eva“ – die gebürtige Italienerin Eva Collé, die in Berlin lebt und von sich behauptet, keine feste Identität haben zu wollen und Namen blöd findet (also lieber keinen hätte). „Keine feste Identität haben“ bedeutet bei ihr hauptsächlich: häufig umziehen und öfters mal die Frisur ändern. Identität mache keinen Sinn, sagt sie, denn die Ereignisse, die zu einem bestimmten Blick auf die Welt geführt hätten, seien ja jetzt vorbei. Einmal im Jahr würde sie sich ganz neu erfinden.

Ich muss sagen, ich finde das ein bisschen albern. Glaubt sie das wirklich? Blöd ist sie nicht (im Gegensatz zu den beiden schrecklichen Tussen, mit denen sie durch Berlin zieht) und unsympathisch auch nicht. Aber sie behauptet, locker ohne die Identität auskommen zu können, die Frau Zadee in „Born in Evin“ so mühsam herstellt. Und wie ist das mit den vielen Tattoos? verändert sie die auch jedes Jahr?

Eva und alle anderen im Film reden „International English“ oder auch Plastik-Englisch- deshalb fehlt auch das „for“. Erstaunlich, welchen Unterschied es macht, wenn sich jemand ganz beiläufig als „Sex Worker“ bezeichnet! Im Film auch bei der Vorstellung in einer neuen WG. Das finde ich mutig.

Ich weiß nicht – der Film war sicher nicht schlecht, aber das viele Sich-selbst-neu-Erfinden braucht ziemlich viel Zeit, und daher ist Frau Eva auch einfach sehr selbstbezogen. „Eine Revolution“ machen will sie – nun, so wird das nix.

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Kommentare

Eine Antwort zu „Identität suchen – oder lieber doch nicht?“

  1. micha

    Sehr interessant, dass Du gerade die beiden Filme nebeneinander stellst. Wenn ich nur einen davon sehen dürfte, wüsste ich, welcher das wäre.

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