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Cherry

Der erste Impuls den Film sehen zu wollen war Lili Taylor, die auf einem der Stills mit drauf war. Aber dann klang die Geschichte von Cherry einfach interessant: junge Frau geht von zu Hause weg, wird Darstellerin in Pornofilmen und später Regisseurin. Das ist ja schon einmal ein sehr emanzipativer Ansatz, das wollte ich unbedingt sehen.

Angelina (Ashley Hinshaw) kommt aus sehr disfunktionalen Verhältnissen, die Mutter (die wunderbare Lili Taylor) ist Alkoholikerin (mit sehr hellsichtigen Momenten!), der Vater gewalttätig und latent bedrohlich für seine Töchter. Angelina geht mit ihrem besten Freund (Dev Patel, Hauptdarsteller aus Slumdog Millionaire) nach San Francisco, sie leben in einem kleinen WG-Zimmer, er jobbt in einem Buchladen, sie erst in einer Bar, dann als Cherry im Pornobusiness. Natürlich liebt er sie, während sie ihn nur als guten Freund haben möchte.

Was mir wirklich gefallen hat: von den ersten Nackfotos bis zum Bewerbungsgespräch im Pornostudio wurde sie immer gefragt, ob sie das wirklich machen möchte, und warum. Sie ist eine starke Frau, die vom ersten Moment, als sie noch im Waschsalon jobbt bis sie am Ende hinter der Kamera steht, immer tüchtig und souverän wirkt. Das Grauen hingegen wohnt nicht in ihrem anrüchigen Business, sondern in der Familie (als Zuschauerin habe ich ihr schon einen Moment lang übel genommen, dass sie in dem Moment, als der Missbrauch an der kleinen Schwester angedeutet wird, so passiv bleibt). Die Doppelmoral der Männer ist ständig präsent: vom ersten Freund, der sie erst zum Fotografen schickt, und dann doch nicht will, dass sie sich nackt fotografieren lässt, bis zu ihrem dauerbedröhnten Anwaltsfreund aus gutem Haus, selbst der Freund – keiner akzeptiert ihre Wahl wirklich. 

Fast noch spannender als der Film war das Gespräch danach. Der Regisseur Stephen Elliot war selber Sex Worker und hat hier in seinem eigenen Umfeld gedreht. Der Film wurde im größten Pornostudio von San Francisco gedreht, das ein ganz normales Unternehmen ist und ein paar Hundert Leute beschäftigt. Von den dort arbeitenden RegisseurInnen sind knapp ein Drittel Frauen, die sich durchaus als Feministinnen verstehen. Es gibt eine Personal- und eine Marketingabteilung und das Einstellungsgespräch im Film findet genau so auch in echt statt. Er findet es einen sexistischen Ansatz, davon auszugehen, dass Frauen von Männern in die Branche genötigt werden. Seiner Erfahrung nach treffen Frauen eine Wahl. Problematisch an der Branche sei lediglich, dass es zwar möglich ist, das als ganz normalen Job zu machen, aber es ist nicht wirklich eine Karriere vorgesehen, denn zu dem Zeitpunkt, an dem man einsteigt, verdient man am meisten, das wird mit zunehmendem Alter weniger. Da gibt es dann nur die Möglichkeit, in die Regie zu wechseln oder Bücher zu schreiben, was natürlich nicht allen liegt. 

Einen Lacher bekam dann noch der Produzent, der noch berichtete, dass er beim Telefonieren vom Set gelegentlich sein Telefon stumm schalten musste, wegen der Nebengeräusche von den echten Filmsets. 


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