Eröffnungsfilm im Friedrichsstadtpalast: The Grand Budapest Hotel

Eröffnungsveranstaltung im Friedrichsstadtpalast – als ich zum ersten Mal hier war, wusste ich noch nicht, dass es nicht nur Film zu sehen gibt, sondern zuerst die Eröffnungsgala aus dem Berlinalepalast übertragen wird. Jetzt ist es keine Überraschung mehr, aber immer noch schön: Anke Engelke ist wieder eine wunderbare Moderatorin, wechselt zwischen deutscher und englischer Ansage, ohne sich selbst zu übersetzen, lässt das Publikum zu Hause an den Fernsehern – und uns im Palast fürs Fußvolk – einen Blick auf die Gäste werfen (und wir spielen bereitwillig mit beim Promi-Raten, wobei ich mal wieder miserabel abschneide – aber Tilda Swinton erkenne ich! Und einige andere, über deren Anwesenheit ich mich richtig freue, merkwürdig), und sie preist den technologischen Standard der Berlinale (95% der Projektionen sind digital, die restlichen 5% ist Dieter Kosslick). Auch der ist reizend und verkündet, dass sein English pretty much the same klinge wie sein German. Stimmt. Und auch wenn „unser“ Moderator in seinem mittelgut sitzenden Samtanzug fast die Überraschung ruiniert, indem er sie vorher schon angekündigt hat (wenn die Verkehrsverhältnisse es zulassen, gibt es vielleicht nachher eine Überraschung), freuen sich alle wie blöd, als dann Dieter Kosslick zusammen mit Wes Anderson und Bill Murray auf die Bühne kommen. Bill Murray findet, dass wir gleich den besten Film sehen werden, den Anderson je gemacht hat und feuert den Vorführer an „And now Mr. Projectionist, schwing die Hufe!“ das tut der dann auch, bzw. drückt er vermutlich einfach einen technologisch ganz weit vorn befindlichen Play-Button.

The Grand Budapest Hotel ist ein toller Eröffnungsfilm. Dass es hier gleich ganz vielschichtig wird, zeigt schon das Intro: eine junge Frau geht auf den Friedhof, ein Trio schwarzgekleideter Männer singt sehr schon und traurig auf einer Bank, die Frau geht zu einem Denkmal eines Dichters, an dessen Sockel viele Schlüssel hängen, wie an einem Hotelschlüsselbrett (Aha!). Sie schlägt ein Buch auf – aha, derselbe Titel wie der Film!, und der nächste Schnitt zeigt den Dichter, der uns informiert, dass Dichter keinesfalls immer dichten, sondern vielmehr Geschichten sammeln. Dritte Ebene: das heruntergekommene Grand Budapest Hotel, in dem er einst den ehemaligen Besitzer Zero Moustafa kennengelernt und dessen Geschichte erfahren hatte. Vierte Ebene: irgendwo in den Alpen des untergegangenen osteuropäischen Landes Zubrowka, zu Zeiten, als das Hotel noch ein Palast ist, den der Concierge Monsieur Gustave kontrolliert. Hier geht die Geschichte dann endlich richtig los, erzählt aus der Perspektive des Lobby Boys Zero.

Das Hotel ist eine ganz eigene Welt, die wir zwar längst aus vielen, vielen Filmen und Romanen zu kennen glauben, aber genau damit spielt der Film. Wir erwarten bestimmte Dinge, und bekommen sie auch geliefert, aber so liebevoll überzeichnet, dass man sich am liebsten die ganze Zeit gegenseitig drauf aufmerksam machen möchte: Schau mal, der Aufzug, Schau mal, die Törtchen, Schau mal, Tilda als 84-jährige, Schau mal, das angemalte Bärtchen des Lobby Boys! (naja, dass die beiden Frauen hinter uns das die ganze Zeit praktiziert haben, hat bei allem Verständnis für diesen Impuls doch ein wenig genervt).  Es gibt von allem, was wir erwarten, einfach immer mehr und schräger, komischer, abgedrehter als die Klischees im eigenen Kopf es zustande gebracht hätten, und das macht unglaublich viel Spaß.

Monsieur Gustave ist ein Versteher älterer Damen, insbesondere von Gräfin D. („She’s a grenade in the sack“). Die wird im weiteren Verlauf ermordet, vererbt Gustave ein Bild, das ihm die fiese (also sensationell fiese!) Familie vorenthalten will. Er klaut es zusammen mit Zero, gerät selbst unter Mordverdacht, landet im Gefängnis, bricht aus (Schau mal, die kleinen Hämmerchen!), wird verfolgt, Zero verliebt sich in die zauberhafte Konditorin („don’t flirt with her!“), der Faschismus taucht auf, die Ära des Hoteluniversums geht zu Ende.

Es ist ein Kopffilm, einer zum Entdecken, Wiedererkennen, Lachen. Viel Lachen. Und deshalb macht es auch gar nichts, dass er eine weder zum Fürchten, noch zum Bangen um die Helden, noch zum Weinen bringt. Dafür macht er beim zweiten Sehen bestimmt noch einmal genauso viel Spaß.

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Kommentare

Eine Antwort zu „Eröffnungsfilm im Friedrichsstadtpalast: The Grand Budapest Hotel“

  1. Ulla

    Jaja, nächstes Jahr bin ich auch dabei! War aber besser so.

    Freue mich schon aufs erste Sehen, im März dann.

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