Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern verursacht beim Zuschauen ziemlich ambivalente Gefühlszustände. Zum Glück ist da im Anschluss die nette Regisseurin, die berichtet, dass sie schockiert war, als sie das dem Film zugrunde liegende Theaterstück von Lukas Bärfuss zum ersten Mal gesehen hat.
Dora ist 18, behindert und dabei, ihre Sexualität zu entdecken. Dass Peter, das Ziel ihres Begehrens, nicht gerade ein Sympathieträger ist, macht es der Zuschauerin zunächst ziemlich schwer erträglich. Ist das Missbrauch? Ist es einvernehmlicher Sex? Muss Dora geschützt werden oder darf sie für sich selbst entscheiden? Der Film macht es einer nicht leicht, denn es wechseln sich Szenen ab, die ein gefestigtes „Ja, klar, was denn sonst?“ auslösen – mit solchen, in denen diese Gewissheit ins Schwanken gerät, wie wenn ich horizontale Linien durch meine neue Gleitsichtbrille fokussieren will.
Beeindruckend – wenn vielleicht auch ein ganz kleines bisschen didaktisch eingesetzt – waren die Ärztinnen und die Polizistin, die Dora vollkommen ernst nehmen und ihr sehr einfühlsame Fragen stellen. Durch diese Fragen und Doras Antworten konnte die Zuschauerin tatsächlich etwas lernen (wie nötig das war, wurde während der Q&A deutlich). Ganz besonders großartig sind aber Dora selber und ihre Mutter, beide waren wunderbar gespielt, und irgendwie konnte ich die ganze Zeit beide gut verstehen.