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Blindsight

Die Beschreibung von ‚Blindsight‘ in der Reihe Panorama Dokumente klang interessant und zwiespältig zugleich: blinde tibetische Kinder steigen unter Anleitung eines blinden amerikanischen Bergsteigers auf einen Himalaya-Gipfel und gewinnen dabei Selbstvertrauen und überhaupt. Was konnte da wohl dahinter stehen, durchgeknallte westliche BuddhistInnen, die im Ausklang der Welle unsäglich schlechter Hollywood-Tibet-Filme eine neue spektakuläre Szenerie gefunden haben?
Aber nein, die Geschichte von ‚Blindsight‘ ist eine andere, frei von westlichem Besserwisser-Buddhismus und sublimierten Erlösungsfantasien. Die Beteiligten können von gar nichts erlöst werden, und in Tibet blind zu sein ist mehr als ein Handicap. Es wird als Wirkung von Dämonen gesehen oder als Folge von Untaten im vorherigen Leben. Um die ausgestossenen blinden Kinder kümmert sich seit 1998 die blinde Sabriye Tenberken in einer von ihr in Lhasa gegründeten Schule für blinde Kinder, zusammen mit ihrem nicht blinden Partner Paul Kronenberg. Darüber hinaus hat sie eine Braille-Schrift für Tibetisch entwickelt Braille Without Borders, die es überhaupt erst ermöglicht hat, dass blinde Kinder in die Schule gehen können.
Die Geschichte des blinden amerikanischen Bergsteigers Erik Weihenmayer, der 2001 den Mount Everest bestiegen hat, interessierte ihre Schüler und Schülerinnen besonders, und es lag nahe, ihn nach Tibet in die Schule einzuladen. Und ein bisschen Bergsteigen mit den Kindern wäre dabei vielleicht auch ganz nett. Denn wer blind auf Berge steigen kann, erfährt, dass es keine Grenzen für ihn geben muss.
Hier beginnt der problematische Teil des Projektes. Man lade einen blinden amerikanischen Bergsteiger ein, mit einem sehenden Team der besten und erfahrensten Bergsteiger, und es wird eine generalstabsmässige Aktion daraus. Sie haben auch fast verstanden, worum es geht, denn wer blind auf Berge steigen kann, erfährt, dass man durch Willen alles erreichen kann. Und das ist der eigentlich interessante Punkt in diesem Film. Die Anstrengung, zu einem Nebengipfel des Mount Everest aufzusteigen, wird zunächst begleitet von Sorge um die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Kinder. Je näher sie dem Ziel kommen, um so mehr bricht das Wollen durch und der killer instinct der Bergsteiger, das Ziel um jeden Preis zu erreichen. Wie die Diskussion darum ausgeht was denn jetzt das eigentliche Ziel sei, ist höchst spannend und erfreulich und ändert tatsächlich die Einstellung und Situation aller Beteiligten.


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