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Ein Triplet zum Schluss

Mein erfolgreicher letzter Berlinaletag begann mit Deep in the Valley aus Japan, der versucht, die Geschichte einer 1957 abgebrannten fünfstöckigen Pagode im Tokyoter Bezirk Yanaka zu rekonstruieren und die Rolle, die sie für die Bewohner des Viertels spielte. Um dieses komplexe Phänomen angemessen abbilden zu können, besteht der Film
1. aus einer fiktionalen Rahmenhandlung, in der junge Filmstudenten bei den älteren Einwohnern nach Super-8-Filmen (Achtung: Meta-Referenz!) über die Pagode suchen. Eine von ihnen trifft dabei einen Kleinkriminellen, der ihr beim Suchen hilft und am Ende mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit umgebracht wird.
2. aus dem Re-Inacting eines historischen Romans über den Bau der Pagode (die selben Schauspieler, aber in Kostümen) und
3. aus Dokumentaraufnahmen des Viertels, seiner Friedhöfe und Tempel, der Menschen, die darin arbeiten und Trauerfeiern abhalten, sowie Interviews mit den Bewohnern zu ihren Erinnerungen an die Pagode, sowie diverse Zwischentitel mit umfangreicher historischer Information.

Von den drei Handlungssträngen waren aus meiner Sicht zwei überflüssig, und zwar Punkt 1 und 2. Ohne die hätte man die wunderschönen Schwarz-Weiß-Bilder genießen und den interessanten Personen beim Konstruieren einer lokalen Legende zusehen können. So war das alles nur ein großes Kuddelmuddel

Dagegen war Ander viel einfacher und u.a. deshalb viel besser: der Enddreißiger Bauer Ander bricht sich das Bein, und daher muss eine Hilfskraft her, die den Hof versorgt und ihn mit seinen Krücken. Deshalb kommt der Peruaner José auf den Hof. Es war sehr schön, dabei zuzusehen, wie zwischen den beiden immer mehr Vertrautheit entsteht, die irgendwann quasi zufällig zu Sex wird – was Ander so sehr erschreckt, dass er quasi noch beim Orgasmus kotzen muss. Aber schön, dass der bärige Ander mutiger und ehrlicher ist als seine Kumpels, so dass aus ihm, Jose und der Gelegenheitsprostituierten Reme vielleicht eine Wahlfamilie werden kann. Na bitte, es geht doch: mit wenig Worten und genügend Bildern viel Intensität herstellen und eine packende Geschichte erzählen. Klasse Film.

Und das Allerbeste kam dann zum Schluss: Mary und Max, ein Animationsfilm mit den Stimmen von meiner geliebten Toni Collette und Philip Seymour Hoffman. So viel Humor, Trauer, Skurilität und Realismus, Pech und Tapferkeit wie in der lebenslangen Brieffreundschaft zwischen der achtjährigen Australierin Mary und dem 44-jährigen neurotischen New Yorker Max gab es in keinem anderen Film auf dieser Berlinale (die ich gesehen habe). Und endlich konnte man auch mal heulen. Wurde nach 15 Filmen aber auch Zeit. Das war ganz großes Kino.


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