Workers

mein einstieg in die diesjährige mini-berlinale, gequetscht zwischen körpertherapie-seminar und arbeit….

eine absurdität jagt die nächste, wir verfolgen zunächst einen älteren herrn – rafael- beim schuhkauf, rigide, zwanghaft, leicht abwesend, sehr pflichtbewußt, in sich versunken, nach außen kaum erkennbare gefühle…  er erklärt der verkäuferin, er würde morgen pensioniert, dafür kauft er die schuhe… tja, dazu kommt es leider nicht, da der auch während des gesprächs ins patience-computerspiel vertiefte unterkühlte chef der glühbirnenfabrik dem viel zu ehrichen rafael entlockt, daß dieser illegal in tijuana sei. der deal: er verpfeift ihn nicht bei den behörden, dafür muss der stets zuverlässige, nie urlaub machende rafael einfach weiter arbeiten… statt emotionen zu leben beginnt rafael kleine aggressive aktionen in seinen tristen alltag einzuflechten, mal eine toilettenrolle in die schüssel werfen, mal den wasserhahn offen lassen, eine glühbirne zertrümmern… mit regungslosem gesichtsausdruck. der ausweg aus der nicht-enden-wollenden misere: er wird daraufhin mit abfindung gefeuert.

ich mag die sezenen im stadtpark, in denen ein schuljunge beschließt, rafael das lesen und schreiben beizubringen. rafael sitzt überfordert mit dem gedanken an die baldige freiheit aber der scheinbaren inneren entschlossenheit, nun die freiheit kennen zu lernen, auf einem fleckchen rasen im park. ein junge spricht ihn an, es sei verboten, auf dem rasen zu sitzen. rafael zeigt keine reaktion. daraufhin fragt der junge: es stehe doch auf dem schild, ob er nicht lesen könne? rafael schüttelt den kopf, woraufhin ein täglicher privatunterricht beginnt, mit hausaufgaben!

oder rafaels kleine manipulationen der kundschaft eines glühbirnenladens: in kleinen reihen aufgetürmte philips-glühbirnen stellt er über eine no-name-marke, damit die kunden statt dieser lieber die marke seiner fabrik kaufen, für die rafael arbeitet.

der weibliche gegenspieler heißt lidia und ist hausangestellte bei einer völlig überschminkten, steinreichen, schrägen und von der welt und dem leben in gänze frustrierten dame mit hund: ein greyhound namens "princess", der auf einem kleinen samtkissen an ihrem rollstuhl befestigt ist. der einzige völlig neurotische aber immerhin überhaupt existierende emotionale kontakt. für "princess" wird alles getan, sie wird im schaum der badewanne mit quietsche-entchen gebadet, bekommt morgendlich aufs gramm abgewogene fleischwürfel aus der mikrowelle und wird zum abendrot vom chauffeur und lidia an einen aussichtspunkt gefahren und dort auf einem kleinen hunde-sofa auf der kühlerhaube postiert. nachts schläft princess in einem eigenen kinderzimmer mit plüschtieren, sie ist sehr lärmempfindlich, so wird von den hausangestellten brav jede party im nachbarhaus unterbunden, mit den worten: princess könne nicht schlafen! der nie benutzte pool wird gereinigt, die princess-denkmäler aus stein oder busch poliert oder nachgeschnitten, tag für tag, bis schließlich die hausdame stirbt. der sohn verkündigt das testament: princess erbt den besitzt, ebenso die hausangestellten, die nun weiterhin sämtliche anstehenden arbeiten genauso weiter verrichten, wie bisher auch. einziger ausweg: die hündin stirbt eines natürlichen todes. in diesem falle geht der besitzt an die hausangestellten über. hmm…  das projekt der befreiung in diesem fall: princess wird durch kleine aber feine störungen wie den einsatz einer furchtbar lauten tröte als wecker langsam aber stetig in den natürlichen tod begleitet. zum glück müssen wir als zuschauer kein großes hundeleid ertragen – danke an die drehbuchautoren an dieser stelle! ich hatte kurz angst… wie ulla immer so schön sagt: bitte keine toten haustiere im film!

wunderbar: der abschied unter den hausangestellten, die sich über die absurdität ihrer situation über jahre so aneinander gebunden haben, daß sie sich gegenseitig mehrfach im wechsel versichern, daß sie sich briefe schreiben werden.

es ist ein stiller film, die verbindung der beiden protagonisten erfahren wir erst nach und nach, sie waren vor jahren verheiratet und haben den verlust des gemeinsamen sohnes nicht verkraftet.

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Kommentare

2 Antworten zu „Workers“

  1. micha

    Ach, da ist sie ja! Wie schön, dass Du nicht nur eine Kurzberlinale, sondern auch einen Besuch im Berlinaleblog einrichten konntest!

    Mir hat Workers unheimlich gut gefallen – die tollen langen Einstellungen (am besten die Straßenszene vor dem Haus, in dem der Mann sich ein Tattop stechen lässt), die Farben, die kleinen Geschichten drumrum. War es nicht wunderbar, wie Lidia den Grabstein des Peinigers ihrer Kollegin hat sprengen lassen? So unauffällig und so wirkungsvoll. Der Film war ein großes Lob der Subversion und dann auch noch schön anzusehen. So macht Berlinale Spaß!

    1. jo

      die grabsteinszene… ein großes lob der subversion, genau! ich werde gleich noch ein wenig nachholen, vor lauter filme zwischen die arbeit quetschen, kam ich nicht mehr zum schreiben.. aber auch ich finde es sehr schön, wenigstens ein bischen hier mitzugestalten!

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