Somewhere Over the Chemtrails ist so ein großartiger Titel, der reicht eigentlich schon, um den Film sehen zu wollen. Er ist die Abschlussarbeit von Adam Koloman Rybanský an der Prager Filmschule Famu. Im Vorspannvideo – fast alle Filme, die ich dieses Jahr sehe, haben eins – erklärt er, dass es ihm um Empathie geht. „Have faith in people, even if you don’t understand them“.
Die Handlung reicht von Gründonnerstag bis Dienstag nach Ostern. Das Dorf ist klein, der Bürgermeister lässt sich gerne durch den Ort fahren, um mit dem Megafon wichtige Ankündigungen zu machen. Dabei betont er immer, wer er ist, und dass er all die positiven Aktivitäten ermöglicht hat. Im Mittelpunkt steht Standa, ein junger und naiver Mann und werdender Vater. Er hat es zu nichts gebracht außer der Mitgliedschaft in der freiwilligen Feuerwehr. Bronya ist sein väterlicher Freund, den er in allen Lebenslagen konsultiert. Ein Feuerwehrkollege warnt Standa vor Chemtrails, und empfiehlt Essig dagegen. Und weil Standa eben naiv ist, kauft er Essig. Viel Essig. Seine hochschwangere Frau Jana ist dagegen die Stimme der Vernunft – gefeit gegen Gerüchte und Aberglauben. Die Gegensätzlichkeit des Paares ist liebenswert und ziemlich absurd-lustig.
An Karfreitag ist Dorffest – es gibt Zuckerwatte, Blaskapelle und Bierfassweitwurf. Die Dorfstraße ist gesperrt, als es dunkel wird gibt es ein Feuerwerk, natürlich ermöglicht durch den Bürgermeister. Plötzlich fährt ein Transporter gegen den Dorfbrunnen, verletzt einen der Feiernden, der Fahrer entkommt. Bronya behauptet sofort, der Fahrer sei ein Araber gewesen und das Ganze kein Unfall, sondern ein Terroranschlag. Standa gerät in einen Loyalitätskonflikt, als er erfährt, das Bronya lügt.
Darum geht’s: was ist das Richtige? Kann es gültige Motive geben, Angst und Schrecken zu verbreiten? Die Antwort kann natürlich nur nein sein, und so kann das alles nicht gut enden. Es wird in vermeintlich guter Absicht ein schlimmer Fehler gemacht und jemand zahlt einen hohen Preis dafür. Der Film ist zwar eindeutig in seiner Haltung, aber dabei immer noch wohlwollend seinen Figuren gegenüber, auch dann noch, wenn sie schlimme Dinge sagen oder tun. Chemtrails stehen dabei für harmlosen Unfug, während Rassimus schadet – und zwar allen. Und an der Stelle muss ich noch ein bisschen weiter drüber nachdenken, ob mir das zu wohlwollend ist.
Kommentare
Eine Antwort zu „Kdyby radši hořelo – Somewhere Over the Chemtrails“
Das war heute mein Abschlussfilm, und mir hat sehr viel an ihm gefallen: die Figuren und Statisten, die wirken, als hätte sie der Regisseur einfach aus dem Gemeindezentrum geholt. Das Dorf selber und die Häuser, die aussehen wie einfach abgefilmt. Die Ansagen über die coole öffentliche Lautsprecheranlage, anscheinend eine Besonderheit von tschechischen Ortschaften. Und vor allem die Figuren und Schauspieler, super.
Das Problem ist, dass der Regisseur sich nicht entscheiden konnte, ob er eine absurde Komödie machen will *oder* eine Art Parabel auf politische Prozesse anhand eines kleinen Dorfes *oder* eine persönliche Vater-Sohn-Geschichte. Erst schwankte er, dann entschied er sich für eine Mischung aus Parabel und V-S-G. Schade. Es wäre eine super Komödie geworden.