Mammalia

In Mammalia geht es um Camil, der Ärger im Job hat und sich von seiner Freundin Andreea vernachlässtigt fühlt. Die hängt immer öfter mit einer Gruppe weißgekleideter Frauen ab, die seltsame Rituale vollführen. Sekte? Das wird nicht so richtig als Geschichte erzählt, und Text kommt eher sparsam vor. Die Einstellungen sind sehr statisch, und es macht großen Spaß herauszufinden, was jedes Mal zu sehen ist. Manchmal nicht viel: es laufen Insekten auf einer Schüssel entlang, fallen an immer derselben Stelle runter, einige krabbeln an einer Kerze hoch. Manchmal laufen Menschen aus dem Bild, und es ist interessant, wie lange sie jetzt genau noch zu sehen sind.

In einem faszinierend absurden Büro werden im Hintergrund Porträts abgestaubt, während eine Vorgesetzte die Angestellten schikaniert. Der Hausmeister erklärt, dass alle Mieter im Haus Schauspieler*innen seien und einen Alien-Film gedreht haben. Dabei klebt er supersorgfältig Poster an die Wand. Die Gruppe weißgekleideter Frauen ist ein bisschen gruslig. Es dürfen aber auch Männer mit Perücken mitmachen. Wie sie einander beim Aussuchen der Perücken beraten, ist eine eigene sehr schöne Szene. Camil verfolgt die Frauen bis in ein Ferienlager in der Wildnis. Er stellt sich dann nicht nur beim Rudern sehenswert ungeschickt an. Er hat halt nicht begriffen worum es eigentlich geht.

Die Q&A ist großartig, Regisseur Sebastian Mihăilescu und Team sind lustig und anarchisch wie der Film. Den finde ich noch besser, seit ich ihn mit diesen Leuten verbinde. Sebastian Mihăilescu erklärt, dass es zwei Wege gibt, kreativ zu sein, und beide haben ihre Berechtigung. Entweder der Regisseur zwingt den Gegebenheiten seine Fantasie auf oder die Kreativität erwächst aus den kleinen Wundern, die sich in den Gegebenheiten finden. Über das Skript sagen sie, dass es ca. 80 mal umgeschrieben wurde. Dringeblieben seien die Muster, die nicht rausgelöscht wurden. Das klingt plausibel. Protagonistin Malina Manovici erzählt, dass es für sie eigentlich kein Skript gab, dass ständig improvisiert wurde, und wie sehr sie das gestresst hat. Vor allem, weil auf 16mm Film gedreht wurde, das heißt, in ein, zwei Takes musste die Szene passen.

Zu gerne hätte ich gefragt, wie sie die Insekten dazu gebracht haben, sich so ästhetisch zu bewegen, aber wir mussten dringend los zum nächsten Film.

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Kommentare

6 Antworten zu „Mammalia“

  1. ulla

    So, leider muss ich jetzt dagegenhalten 🙂

    Für mich gibt es eine Stufe oder eine Abzweigung, ab der aus einem Film mit einem gewissen faszinierenden Weirdnessfaktor ein gekünstelter, prätentiöser Film wird. Ab diesem Punkt, nennen wir ihn mal die Bullshit-Schranke, verliere ich jegliche Lust daran, mir mit dem Film noch Mühe zu geben und möchte nur noch schreien „der ist ja nackt“ (der Kaiser)!

    Mammalia hat die Bullshit-Schranke in Rekordzeit überwunden: nach den ersten 10 Sekunden mit den jammernden Frauen im Wasserreservoir war klar, dass das nichts mehr werden würde. Da halfen auch die langen Einstellungen nichts mehr. Ich habe mir dann erlaubt, ein Schläfchen zu machen; beim Aufwachen segelte die Protagonistin gerade auf einem Floß über einen Bergsee und war an einen Birkenstamm gefesselt, an dem diverse Holzpenisse befestigt waren. Echt jetzt?

    Die Diskussion hat die Sache noch verschlimmert, denn der Regisseur redete zu viel und gab uns zu verstehen, dass, wer den Film nicht gut zu findet, nur vom amerikanischen Hollywood-Kino verdorben sei und mit den langen Einstellungen nicht klarkäme. So nicht, mein Lieber, wir sind schließlich James-Bennin-erprobt! Meine Solidarität gilt dem armen Zuschauer, der sich verzweifelt meldete und sagte, er wisse, man dürfe nicht nach Erklärungen fragen, aber er sei zu blöd für den Film und würde jetzt doch um eine klitzekleine Erklärung bitten. Du bist nicht zu blöd, der Film war einfach nur nackt.

  2. ulla

    Ich versuche übrigens seit Jahren herauszufinden, wo die Bullshit-Schranke liegt bzw. was sie ausmacht. Leider ohne abschließendes Ergebnis. Irgendwie hat es was damit zu tun, dass die Künstler*innen sich in ihre eigene Weirdness verlieben und nur immer noch mehr Seltsamkeiten erzeugen wollen und vergessen, dass die Welt, wenn man genau hinschaut, an sich schon seltsam genug ist, und ihre Ergüsse nicht braucht, um weird zu sein.

    1. Vielen Dank für Deine Kommentare, ich habe sie mit sehr viel Vergnügen gelesen. Die Bullshit-Schranke ist ein großartiger Begriff, und ich kann gut verstehen, dass die hier für Dich runtergegangen ist (ist das das passende Verb für eine Schranke?).
      Was mir auch Spaß macht: dass das Bullshit-Empfinden so unterschiedlich ausfallen kann, dass Du einen Film in Grund und Boden stampfst, bei dem ich mich durchaus amüsiert habe. Aber sorry für die Empfehlung!

      1. Ulla

        Überhaupt kein Problem, Filme zerreißen macht Spaß!

        Und die Frage, was genau bei wem die Bullshit-Schranke ausmacht, muss unbedingt noch weiterhin untersucht werden…

        1. Eben ging sie wieder runter – Seneca. Au weia!

  3. ulla

    Also durchaus „Bullshit“ im Sinne von Herrn Frankfurter (https://de.wikipedia.org/wiki/On_Bullshit)

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