Kottukkaali – The Adamant Girl

Es geht los im Delphi. Der Kollege hat bereits vor dem Eingang die indisch aussehenden Männer in rotem Seidenhemd und weißem Veshti fotografiert (das musste ich nachschlagen, das ist das rockartige Kleidungsstück für Männer in Tamil Nadu). Es ist das Filmteam, das kurz danach auf der Bühne steht. Die Luft im Saal ist schon vor Beginn der Vorstellung weggeatmet. Gibt es hier eigentlich eine Belüftung? Wird sie manchmal eingeschaltet?

Wir sehen Kottukkaali – The Adamant Girl von Vinothraj PS. Der Tag bricht an, Hähne krähen, eine Frau schüttet sich  vor dem Haus, vollständig angekleidet, Wasser aus einem Gefäß über den Kopf. Dann geht sie nass, wie sie ist, durch den Ort bis an ein kleines Heiligtum, zündet etwas an, betet ein wenig und geht denselben Weg zurück. Wir haben viel Zeit das Dorf zu betrachten. Es wird langsam hell, der Asphalt bröckelt, ein parkendes Auto ist mit Blumen geschmückt. Männer waschen sich mit freiem Oberkörper. Leute streiten, aber es dauert, bis ich als Zuschauerin Zusammenhänge verstehe – auch wenn ich vorab schon weiß, dass es darum geht, dass Meena nicht heiraten will. Die Familie kann sich ihren Widerstand nicht anders als durch Besessenheit erklären und beschließt ein Ritual von einem „Seher“ durchführen zu lassen. Mit einer Dreiradrikscha und drei Mopeds beginnt die Familie eine Reise, zuerst zu einer Familiengottheit, dann zu dem Exorzisten.

Sie treffen auf viele interessante Hindernisse. Nach dem Stopp bei der Familiengottheit kann das Dreirad nicht wenden und muss von allen mitreisenden Männern unter großer Anstrengung und lautem Schreiben angehoben und gedreht werden. Dem Hahn geht es plötzlich schlecht, alle haben Erklärungen und Ratschläge, er wird mit Wasser besprüht, getränkt, angepustet, durch die Federn gewuschelt, gefächelt, bis er wieder gut aussieht. Pandi fliegt ein Insekt ins Auge, das auf interessante Weise entfernt wird. Sie werden von einer kleinen Prozession festlich gekleideter Menschen aufgehalten, die ein Lied auf den „Onkel mütterlicherseits“ singt, der sich schon zeitlebens um die Nichte gekümmert hat und jetzt die Feier ihrer Pubertät ausrichtet. Der kleine Neffe muss aufs Klo, auch die Erwachsenen brauchen Pinkelpausen. Es kommt zu Streit. Später versperrt ein gefährlich aussehender Bulle den Weg, niemand traut sich, ihn zu verscheuchen, bis er von einem kleinen Mädchen beiseite geführt wird.

In der Q&A wird das komplett männliche Filmteam als erstes gefragt, wo die Frauen sind. Der Regisseur erklärt, dass Anna Ben (Meena) aus bürokratischen Gründen nicht kommen konnte, die anderen Frauen seien alles seine Schwestern, die seien zu Hause im Dorf. Er sagt, er kenne diese Rituale aus seiner Kindheit, damals habe er sie einfach hingenommen. Heute gibt es sie immer noch in vielen Regionen Indiens. Er wollte einen Film machen, in dem er die negativen Auswirkungen zeigt, ohne die Leute und ihren Glauben zu verurteilen. Das ist ihm in meinen Augen sehr gut gelungen.

Das Filmteam von Kottukkaali steht auf der Bühne im Delphi.

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