Der Geruch von Eisen

Cheonggyecheon Medley: A Dream of Iron ist ein Film über Eisen. Im Forumsheft steht zwar, dass es um die Umstrukturierung des Stadtviertels von Seoul geht, in dem der ehemals dreckige Fluss renaturiert worden sei, und lustigerweise bezieht sich Herr Terhechte auch im anschließenden Gespräch auf den Fluss, aber der wird im Film gar nicht erwähnt.

Es geht um Eisen. In Cheonggyecheon gibt es viele kleine Betriebe, die Metall verarbeiten. Gefilmt wird in einer Gießerei und einer Werkstatt, in der mit großen Maschinen an Eisenteilen rumgefräst wird. Ganz anders als gestern bei den Detektiven hat der Regisseur überhaupt kein Interesse am "Großen Ganzen",weder auf der Ebene der Umstrukturierung des Viertels, noch was die Produkte der kleinen Werkstätten angeht. Zu Anfang nervt mich das. Ich bin so ein Sendung-mit-der-Maus-Kind, ich will wissen, wie etwas funktioniert, wie Dinge hergestellt werden, was da rauskommt, wenn im Film eine Maschine läuft. Das ist hier aber nicht das Thema, und wir dürfen froh sein, wenn die Kamera immerhin so weit von ihrem Objekt weggeht, dass sich das Bild wenigstens scharf stellen lässt. Irgendwann wird dann meistens doch noch gezeigt, worum es geht, aber genau andersrum, wie ich mir das eigentlich wünsche: erst der Überblick, dann die Details. Doch hier geht es um Impressionen, um die Geschichte der Familie des Regisseurs (aber nur abstrakt, die sind nicht mehr in der Gegend), um – nun ja, – um Kunst. 

Die im Viertel noch verbliebenen Handwerker werden längst nicht so lebendig wie z. B. die Detektive gestern, es kommt mir vor, als hätte der Regisseur eine viel größere Distanz zu seinem Thema. Aber dann lasse ich mich hineinziehen und spüre, dass es mir genauso geht: da sind die lauten Geräusche der Eisenverarbeitung, da passieren Dinge, die ich nicht richtig deuten kann, es ist laut, die Leute sind und bleiben fremd, aber das macht auch etwas. Im unter dem Film liegenden Text – Gedanken, Briefe an den Großvater – ist einmal die Rede vom Geruch des Eisens, und da merke ich, dass der Film für mich funktioniert, ich meine, das Eisen riechen zu können. 

Im Übrigen wäre der Film ohne das anschließende Gespräch weit weniger verständlich gewesen: da hat die Stadt um die Umstrukturierung voran zu bringen, Fabrikgebäude außerhalb gebaut, in denen einzelne Räume an die Handwerksbetriebe vermietet werden. Einem Betrieb dürfen wir beim Einzug zuschauen. Was nicht erwähnt wurde: die Gießereien, die mit hohen Temperaturen arbeiten müssen, dürfen da nicht hinein.

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