Manazil bela abwab – Filmemachen unter erschwerten Bedingungen

Micha hat ja gestern dankenswerterweise das Thema: innovatives Kino aufgemacht. Die Doku „Häuser ohne Türen“ hat mich auch auf diese Frage gebracht. Es ist ein Film über das langsame Einzughalten des Krieges in eine Strasse in Aleppo – ich finde, dies ist dem Filmemacher Avo Kaprealian gelungen. Und allein dies mitzuerleben, war schon ein berührendes Thema für sich. Im Film sind Sequenzen mit Musik mit teilweise experimentellem Charakter, mit Gegenschnitten aus alten Spielfilmen und Dokus oder technischen Verfremdungen des Filmmaterials in einen Rhythmus gebracht, der mich gelegentlich an einen Gedankenfluss erinnert. Und die Paralysierung der Betroffenen durch die immer bedrohlicher werdenden Anzeichen der Angriffe wurde für mich körperlich spürbar. Auf Dokus mit Wackelbildern und indifferenten oder mit Bedeutung aufgeladenen Geschehnissen reagiere ich mittlerweile oft genervt, aber dieser Film hat meine Aufmerksamkeit bis zum Schluss gehalten.

Im Filmgespräch erfahren wir, dass dem Filmemacher irgendwann Kamera und Speichermedien abhanden gekommen bzw zerstört worden waren, auf denen sich qualitativ hochwertiges Material befand, das er über längere Zeit aufgenommen hatte.  Er hat also anscheinend genommen, was er noch hatte und mit technisch unperfekteren Mitteln weitergedreht und daraus den jetzt gezeigten Film gemacht. Mittlerweile lebt er im Exil, zuerst im Libanon. Die Film-Musik hat er mit einem befreundeten Musiker entwickelt, der ebenfalls ins Exil gehen mußte.

Seine Familie ist armenischer Herkunft und durch den Genozid nach Aleppo geraten; der Filmemacher gehört der Generation der Enkel an. Viele Szenen im Film sind vom Balkon der Wohnung der Familie in einem Viertel mit vielen Exil-Armeniern und ihren Nachkommen gefilmt. Und die Gegenschnitte aus Spielfilmen und Dokus zeigen sehr explizit die Grausamkeiten dieses Genozid, während in seinem selbstgefilmten Material keine Gräuel oder Verletzungen zu sehen sind – der Hinweis des Filmemachers war ganz logisch: er kann nicht filmen, während Menschen Hilfe brauchen. Trotzdem geht es aber in seinem Film natürlich vor allem um die Grausamkeit des Krieges und auch in diesem Film wird thematisiert, was das vor allem mit den Kinder anrichtet. Zum Ende des Films gibt die Familie die Wohnung auf – muss sie aufgeben, weil die Selbstgefährdung und Lebensgefahr sichtbar bedrohlich wird – und geht ins Exil.

Diesen Film zu schauen war keineswegs schön. Und ob es ein gelungener Film geworden ist, weiss ich eigentlich auch nicht so genau zu sagen. Aber der Film und seine Ästhetik haben mich beeindruckt und mir sehr eindringlich deutlich gemacht hat, was Krieg anrichtet mit Menschen – und wie schwer es wird, unter diesen Bedingungen künstlerisch anspruchsvoll tätig zu sein. Und dass diese Kunst nicht notwendig „schön“ sein kann. Ein Haus ohne Türen ist wie ohne Haus zu sein, wird die Grossmutter des Filmemachers sinngemäss zitiert.

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