Etwas unspektakulär…

…ging es dann weiter mit zwei Dokumentarfilmen: Schnupfen im Kopf von Gamma Bak und Black Bus von Anat Yuta Zuria. Man muss sich bei einer Kritik an solchen Filmen nochmal klar machen, dass man den Film kritisiert, nicht die Schicksale, die darin vorgestellt werden. Die sind zweifellos hart: eine vierzehnjährige Psychosen-Krankengeschichte bei "Schnupfen im Kopf"  und das Ausgestoßensein von zwei Frauen, die ihre ultra-orthodoxen Familien in Jerusalem verlassen haben, in "Black Bus". 

Filme, die das eigene Leben als Motiv benutzen, können ganz toll sein (siehe z.B. "Danach hätte es schön sein müssen". "Mein Leben Teil 2" oder auch die Filme von Alan Berliner) – aber es ist dafür doch eine gehörige Distanz zum eigenen Schicksal nötig, erheblicher Gestaltungswille und außerdem muss halt auch eine Beziehung hergestellt werden vom eigenen Schicksal zu einem übergeordneten Topos. Und bei Schnupfen im Kopf hat es – zumindest mir – leider nicht gereicht.

Black Bus hat uns "Fundamentalismus zum Augenrollen" gezeigt, aber letztlich ist er zu lange bei Symptomen (z.B. der Geschlechtertrennung in bestimmten Buslinien in Jerusalem – Männer vorne, Frauen hinten, damit es nicht  zu unerwünschtem unzüchtigem Körperkontakt kommt) und bei der Situation der komplett auf sich gestellten Frauen stehen geblieben. Man hätte sich mehr Hintergründe und mehr Einblicke gewünscht. Dass das bei so einer hermetisch abgeschlossenen Gemeinschaft nicht leicht ist, ist ja klar. Die Hintergründe kamen dann teilweise in der Diskussion mit der Regisseurin – aber im Film wäre es halt schöner gewesen…

Nachtrag nach einem Tag Überlegen:

Die Zeitschrift "neon" hat einen Trick, um neue Filme vorzustellen, der mir sehr gut gefällt. Es gibt da immer zwei Fragen:

1. Worum geht es? (z.B.: Geschäftsmann und Nutte verlieben sich)

2. Worum geht es wirklich? (z.B.: Liebe ist stärker als Geld)

Das Problem mit den beiden Dokus von gestern ist: man kann Frage 1 leicht beantworten – aber auf Frage 2 – worum geht es wirklich – kann ich auch nach längerem Nachdenken nur wiederholen, was bereits bei Frage 1 stand. Und das ist ein bisschen wenig.

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Kommentare

Eine Antwort zu „Etwas unspektakulär…“

  1. uta

    Es ging mir wie in Texas – Kabul: Sprachlosigkeit, Staunen, tiefer Respekt für den Mut der beteiligten Frauen, Begeisterung über die filmische Leistung und die Unbedingtheit und Dichte, die ein gelungener Dokumentarfilm erzeugen kann. Da kommen auch Spielfilme nur selten hin – finde ich, ganz anders als es Ulla ging.
    Es geht um das Ur-Thema der Unterdrückung von Frauen zur Durchsetzung von Machtinteressen, aufgehängt am Beispiel der Separations-Regelung in zunehmend mehr Buslinien in Israel (Frauen und Männer sitzen getrennt, Frauen hinten natürlich – die Fahrkarten kaufen sie aber schön vorn und dann steigen sie wieder aus und in der Mitte wieder ein, mit Kinderwagen, Einkäufen undsoweiter). Im Mittelpunkt stehen zwei Frauen, die die ultra-orthodoxen Gemeinschaften, in die sie hineingeboren wurden, mit all ihren Zwängen verlassen haben und damit umgehen müssen, sich nicht mehr als verdrängungsnotwendige Versuchung für Männer zu begreifen, sondern als selbstbestimmte Individuen – mit allen Folgen an tiefer Verlassenheit, Schuld, Scham und Trauer.

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