What is love

Ins Herz springt er einem ja nicht gerade, der Film What is love von Ruth Mader. In fünf getrennten Sequenzen werden fünf Menschen / Familien / Haushalte gezeigt: reale Personen in ihrem realen Umfeld in weigehend statischen und stark inszenierten Einstellungen. Thema ist die titelgebende Frage, aber Liebe darf hier nicht auf die romantische Liebe beschränkt werden, es geht auch noch um die anderen Lieben, die wir in der Schule gelernt haben (Caritas, Philia, Agape..).

Spaß machen die alltäglichen und oft im ersten Augenblick auch bedrückenden Szenen nicht unbedingt, aber schnell fängt man an zu staunen: Wie klar hier mit einer Handvoll strenger Bilder in gut 10 Minuten eine Figur in ihrem Beziehnungsgeflecht greifbar gemacht wird (und wie komplex: nicht nur die unmittelbar emotionalen, sondern auch noch die gesellschaftlichen Beziehungen!), das ist alles in allem schon ziemlich meisterhaft.

Wer einen Film über die romantische Ausnahmesituation erwartet
hatte, wurde natürlich bitterlich enttäuscht, dementsprechend maulten
auch einige Zuschauer hinterher über "Banalität" und fehlende Message.
Aber, let’s face it, das Leben als solches ist an sich eines der
banalsten. Das unspektakuläre Leben-als-solches darzustellen ist
ausgesprochen schwierig und es ist dem Film hervorragend gelungen. Aber
er verlangt ein ziemlich auf- und abgeklärtes Publikum. Z.B.: Der
Priester betet alleine in einem kahlen Raum neben einem Wandteppich, in
den in kuschliger, warmer Wolle das Gesicht Jesu geknüpft ist. Ist
dieses Bild nun nichtssagend? Langweilig? Lächerlich? Entlarvend? Oder
bedrückend? Oder versucht es sichtbar zu machen, was man sonst nicht
sehen kann, nämlich spirituelle Geborgenheit in einer kalten Welt? Und wenn letzteres: ist das Bild dann nicht eigentlich herzzerreißend?

Der
"kontrollierte Dialog" zwischen den Eheleuten der sehr gutbürgerlichen
Familie wirkt erstmal ziemlich absurd – aber halt: ist es nicht
erstaunlich, dass ein durchaus konservativ wirkendes Paar diese Technik
aus der Psychotherapie offensichtlich routiniert im Alltag einsetzt? Und
ist es nicht ziemlich billig, über diese Beziehungsarbeit zu lachen? Über ein
Gipsbein lacht man ja auch nicht… Und gleichzeitig zeigt uns die Sequenz, dass es hier um Leute geht, die sehr ernsthaft an Allem Arbeiten (auch am Gitarrenspiel…)

Doch, durchaus meisterhaft. Wow.

Was das Ganze tatsächlich schwer verdaulich macht (hier stimme
ich Martina absolut zu). ist die praktisch völlige Abwesenheit von
Humor. Denn, life being as it is: Humor hilft. Viele Leute haben ihn, er
dürfte ruhig auch im Film auftauchen. Man schwächt die Wahrheit der
Aussage ja durch Humor nicht ab.

Für die Protagonisten stelle ich mir die Sache allerdings nicht
einfach vor. Die meisten Zuschauer werden am Ende des Films denken, sie
hätten diese Leute kennengelernt. Das stimmt aber ja gar nicht – die
haben nur in einem Film mitgespielt. Dass der Film von ihrer realen
Lebenssituation ausgeht und in ihren echten Wohnungen spielt und sie
selbst den Dialog improvsiert haben, macht die Sache noch vertrackter –
denn trotzdem ist der Film ja kein "Portrait" (habe dieses Wort bisher sehr
sorgfältig vermieden!). Ich bin sicher, die junge Ärztin sitzt in
Wirklichkeit nicht oft allein auf dem Sofa rum, und die hat bestimmt
auch Freunde – die durften halt nur im Film nicht auftauchen. Das
Dilemma: je "echter" die Szene, umso mehr exponieren sich die
Protagonisten. Je inszenierter die Szene, umso größer der Irrtumswahrscheinlichkeit
beim Publikum. Ich hoffe, die Regisseurin sorgt gut für ihre Darsteller… Dass
sie im Delphi nur kurz auf- und wieder abtreten durften (ohne sich durch
das ein oder andere Statement als reale Personen materialisieren zu
können) war insofern nicht gerade glücklich.

(Oh – schon wieder so viel geschrieben! Muss wohl dieses Jahr so sein.)

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